Udaipur zeigt mir eine Symbiose aus den kulturellen und Landschaftlichen Elementen ohne die Gelassenheit im Business bestimmten Touritrouble zu verlieren. Doch vor allem fühlt man sich in mitten eines erwachsen gewordener Dorfes, umgeben von einer typisch indisch nach frischer Luft ringenden Stadt.
Ein Tag in Udaipur startet bei mir gegen 9 Uhr und dem obligatorischen einschalten des Boilers im Bad. Johar mein guesthouseowner schnarcht in diesem Zeitraum sowieso in einem massiv Holztür durchdringenden Maße, dass mir jede weitere schnubbelsession verbietet. Aber warum auch, denn obwohl ich es in meinem fensterlosem Zimmer nicht sehen kann, weiß ich, dass draußen schon die Sonne auf mich wartet und eine Vielzahl an herrlichen kulinarischen Einsteigern für den Tag. Zähne putzen auf dem Dach.. Mhh schön warm hier.
Durch die Dusche gerannt und auf die Yamaha geschwungen gehts ein wenig Berg ab in Richtung tibetan market, in der Gegend frühstückt die indische Arbeiterklasse, keine Restaurants, nur Stände, Plastikhocker und kleine Tischchen, man sitzt Schulter an Schulter. Ich bleib der Parantha treu, dazu schon am morgen ein Linsen Dhal, spicy Chutney und zum neutralisieren Yoghurt. (20 Rupies)
Ich habe Zeit, setze mich meist gegen Mittag an eins der ghats am Wasser um zu lesen und zu beobachten. Viele Frauen sind schon mit ihren unzähligen Saris vor Ort und machen Wäsche. Ein Farbenspiel das Stunden andauert. Immer wieder werden die Kleidungsstücke im hohen Bogen und einem lautem Klatschen auf die flachen Steinstufen der Ghats geschwungen. Eine Familie von außerhalb der Stadt ist schon meist lange vor mir da, sie verkaufen sitars, eigen aufgenommene Musik und Armbänder, wir kennen uns jetzt schon einige Zeit. Ich spiele mit den Kids, bringe mal Obst mit und lerne nebenher weiterhin hindi, dass sich seit den letzten Wochen, in denen ich allein unterwegs bin, wesentlich verbessert hat und natürlich viele gute Begegnungen mit sich bringt.
In Udaipur verteilen sich die sich die Traveller und Touristen auf den beiden Seiten des Sees, der dort durch eine Fußgängerbrücke und eine Verkehrsbrücke verbunden ist. Man trifft wiedermal alte bekannte und hängt Stunden lang auf den sonnig ruhigen rooftops ab, genießt die wundervolle Stadt, hört Musik. Shanti.
Ich treffe Tascha aus London wieder, die mir schon in Pushkar mit ihrer verwirrten Art aufgefallen ist. Abschluss in Mathe und Physik, aber eigentlich Künstler und mit dem Kopf immer überall und nirgendwo. Sie wohnt hier bei einer Freundin ihrer Mutter. Jarka ist ebenfalls Künstlerin, mitte fünfzig und kommt gebürtig aus Tschechien. Sie wohnt hier in Udaipur bereits seit über 10 Jahren in ihrer Residenz in mitten der Altstadt. Wenn man ihren Innenhof durch das kleine Türchen des großen Hoftores betritt, vergisst man fast in Indien zu sein. Alles ist sehr strukturiert, sauber und nach westlichen Standards renoviert. Schieferplatten in verschiedenen Größen bedecken den Grund. Zwischen ihnen wächst sauber geschnittener Rasen. Der Anstrich des gesamten vier Seiten Hofes ist weiß, die Farbe Udaipurs. Rankelpflanzen wachsen an den breiten Pfeilern bis in das letzte Geschoß. Zwischen ihnen viele Türen zu Räumen die mir verborgen blieben. Sie wohnt hier allein? Ein wunderbarer Platz für ein Künstlerkollektiv, doch wir sind hier meist zu dritt.
Es ist nicht ihr einziges Anwesen in und ausserhalb Indiens. Sie erzählt von einer Ruine nicht unweit von hier, zu der sie aber keine wirkliche Verbindung mehr besitzt. Jarka fühlte, dass sie dort bereits schon in einem früheren Leben gewohnt und gelebt hat. 'Vielleicht vor 400 Jahren' sagt sie, 'wer weiß'. Es kamen zu viele schlechte Erinnerungen in ihr hoch, als sie eine Weile auf dem Anwesen verbrachte. Die Erinnerungen von damals sowie die Rolle der Frau kommen ihr als emanzipierte und freie Frau von heute eher beängstigend vor. Ich nicke die Sache mit einem schmunzeln ab, auch jarka lacht viel.
Die Zeit verfliegt und es sind nur noch 40 Tage Restvisa auf meinem Konto. Die Vorstellung mein Motorrad zu verkaufen und Indien zu verlassen sind irreal. Ich verabchiede mich von vielen Zielen und sehe mich auf der Landkarte in Rajasthan weiterhin um, mit dem Finger streife ich in Richtung der heissen Grenze zu Pakistan. Ich habe schon viel über Jaiselmer gehört, der Goldenen Stadt, umgeben von Wüste und Kargheit, dem Ort von tausend und einer Nacht.
Eines frühen morgens steht Tascha ziemlich aufgelöst in meinem Zimmer. Ich schlafe noch tief aber lausche dem Grund für ihr Erscheinen. Sie berichtet mir, dass es mit Jarka nicht mehr geht und sie mitkommen will nach Jaiselmer, wir sollten am besten heute... jetzt gehen. 'Mit dem Motorrad, oder?' fragt sie mich. Ich lache innerlich und versuche ihr zu erklären, dass es selbst für mich allein keine gute Idee wäre. Die Strecke hat es in sich vermute ich. Wir verabreden uns gegen halb elf am Busterminal, ich bin spät dran, obwohl ich um pünktlich zu sein noch eine kleine Karambolage riskiere, doch Tascha ist nicht da oder schon weg. Es hat hier niemand ein aufgelöstes rothaariges Mädchen gesehen. Ich setze mich in die Sonne und beginne zu lesen als eine halbe Stunde später ein Schatten über mich fällt. Es ist Tascha samt allem was sie besitzt, großer Rucksack, Yogamatte in einem bunten mit Palietten besetzten Säckchen, einem prallem Tagesbeutel und ihrem Akkordion. 'Sorry Sorry i' m Late, i know' wirft sie mir zu, als ich ihr schon ein paar Gepäckstücke abnehme. 'No worries, lets just hurry..' Der letzte Bus nach Jodhpur was auf halben Wege liegt, fährt in 10 Minuten los und wir haben auch noch keine Tickets.
Es sind 6 Stunden in die blaue Stadt Indiens, zum Glück sitz ich im Bus, es ist ein Höllenritt.
Tascha will am nächsten morgen das Fort von Jodhpur besuchen, ich weigere mich den Eintritt zu bezahlen (Inder 20/Foreigner 400 Rupies) und lege mich in der Zeit an die Festungsmauer für ein ordentlichen Mittagsschlaf.
Viel mehr ist hier nich zu sehen, so drum verlassen wir die Stadt mit dem letzten Bus nach Jailselmer und wieder bin ich froh hier nicht unbedingt mit der alten Yamaha entlang zu brausen. Zwischen dem vielen nichts ist nicht wirklich viel, ich mache mich auf der letzten Reihe lang und schlafe. Wir erreichen Jaiselmer gegen 23 Uhr, es ist wärmer als ich erwartet hatte, die Unterkunft die wir in Jodhpur empfohlen bekommen haben ist gut.
Erst am nächsten Morgen sehe ich vom Hausdach aus, dass Jaiselmer eigentlich aus einem riesigen Fort heraus gewachsen ist, alt wirkend aber bei näheren Betrachtung wie erst erbaut scheint. Hinter den hohen Festungsmauern blüht ein reges Leben, in den engen Gassen wechseln sich private Häuser, shops und guesthouses ab. Die Sandsteine lassen auch die Tempel Gold schimmern und man hat hier eine kleine Vorstellung wie das treiben vor Hunderten von Jahren war, ohne Cameltour suchende Touristengruppen versteht sich.